Von der schlanken Fertigung zu Industrie 4.0
Die Festlegung einer Teststrategie ist einer der umfassendsten und komplexesten Aspekte der Elektronikproduktion. Wie sie organisiert wird, wird hauptsächlich durch die Kombination zweier Aspekte bestimmt: der erste bezieht sich auf technische/produktionstechnische Fragen, der zweite auf die Kosten. Die schnellen und kontinuierlichen Veränderungen im Markt führten zunächst zur Entwicklung des Konzepts „Lean Production“ und in jüngerer Zeit zur Philosophie Industrie 4.0. Die schlanke Produktion ist eine Reihe von Techniken zur Unternehmensüberwachung, die darauf abzielen, Geschäftsprozesse zu verbessern, Arbeitskosten und vor allem Verschwendung zu reduzieren. Industrie 4.0, erstmals vorgestellt während der Hannover-Messe 2011, bereichert das Konzept der schlanken Produktion um die Entwicklung automatisierter und digitalisierter Prozesse, die es ermöglichen, alle Daten und Informationen, die Maschinen liefern können, zu sammeln, zu kanalisieren, zu verarbeiten und zu nutzen. Die Industrie 4.0 stützt sich auf die Grundlagen der schlanken Fertigung und verbessert gleichzeitig die Effizienz und Koordination einer dynamischen, effizienten und selbstverwalteten Produktion.
Eine Industrie 4.0-Philosophie, die das Konzept der schlanken Fertigung nicht beinhaltet, läuft Gefahr, zu einer Technologie zu verkommen, die Ineffizienzen digitalisiert. Das Thema der schlanken Fertigung zusammen mit dem Paradigma von Industrie 4.0 anzugehen, bedeutet, die Weiterentwicklung eines Unternehmens, das in Konnektivität und Digitalisierung investiert, neu zu denken. Integrierte Lösungen tragen zur Gewinnmaximierung bei und senken gleichzeitig die Einrichtungskosten von Produktionslinien, wobei die Vorteile von Systemen genutzt werden, die sich leicht an die ständige Weiterentwicklung der Elektronik anpassen lassen.
Verteilter Test
Unter Berücksichtigung der großen Vielfalt von Ansätzen für die Prüfung elektronischer Produkte in den verschiedenen Phasen des Produktionstestzyklus, setzt die Auswahl der automatischen Testgeräte ein umfassendes Verständnis ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten voraus. Die Wahl der Technologien für Produktionstests konzentriert sich hauptsächlich auf zwei Arten von Testsystemen: Tester mit Nadelbettadapter oder Flying-Prober.
Wenn die Produktspezifikationen die Durchführung verschiedener Testarten erfordern, wird typischerweise davon ausgegangen, dass die beste Alternative darin besteht, sich auf einen einzigen Mehrzweck-Tester zu verlassen, der über eine gemeinsame Hardware- und Software-Ressourcen verfügt und in der Lage ist, ein umfassendes Testprogramm auszuführen. Diese Wahl bedeutet jedoch in der Regel eine insgesamt höhere Komplexität des Systems und einen höheren Spezialisierungsgrad, was seine Effizienz spürbar beeinträchtigen kann: Die Testvorgänge werden sequenziell ausgeführt, d. h. während eine Ressource einen Test ausführt, müssen die anderen warten, bis dieser abgeschlossen ist, um mit dem nächsten Test fortzufahren.
Das Konzept der Implementierung einer verteilten Testlösung basiert auf der Integration verschiedener, modularer Systeme, von denen jedes einen Teil der Anwendung ausführen soll, der durch die Produktspezifikationen festgelegt ist. Dieser modulare Ansatz macht es einfacher, jedes System entsprechend den Kundenanforderungen zu spezialisieren und erfordert begrenzte oder gar keine Investitionen, wenn sich das Produkt, das die Produktionslinie durchläuft, ändern sollte. Bei einer verteilten Testlösung arbeiten alle Ressourcen parallel und führen ihre spezifische Aufgabe wie an einem Fließband aus.
(Automatischen Verteilter Test)
Fallstudie
In unserer Fallstudie bestand die Herausforderung darin, eine intelligente Lösung zu definieren, die auf das Testen von Kfz-Innenraum-Visionsystemen spezialisiert ist, aber so konzipiert und konstruiert werden sollte, dass sie flexibel ist und jede Art von Einzelschaltung oder Nutzen testen kann.
Der betreffende Anwendungsfall führte zur Definition von Zielen, die sich in drei grundlegenden Punkten zusammenfassen lassen:
- Sicherstellung maximaler Testabdeckung unter Einhaltung einer durch das Produktionsvolumen vorgegebenen Taktzeit.
- Möglichkeit, verschiedene Produkte gleichzeitig und unabhängig voneinander zu testen.
- Minimierung der Maschinenstillstandszeit bei korrigierenden Wartungsarbeiten.
Das Endergebnis ist eine hocheffiziente Linie mit kompakter, optimierter Grundfläche und symmetrischem Design, die sowohl für den Inselbetrieb als auch für die Integration in eine Produktionslinie ausgelegt ist. In diesem Fall erfolgte die Einbindung in eine automatisierte Montagelinie zur Herstellung von Kameras (z. B. Gestenkameras). Die Lösung verbindet modernste Technologien für Flying-Prober- und Nadelbett-Prüfsysteme: zwei Flying-Probe-Systeme sind für selektive ICT-Tests bestimmt, zwei Nadelbett-Tester sind für die In-System-Programmierung (ISP) vorgesehen. Die gesamte Lösung ist an eine Automatisierungsplattform angebunden, die kompatibel ist mit den HERMES-, CFX- und SMEMA-Standards für den Transport und das Management von Baugruppen. Die Testsysteme sind durch drei Transportmodule und zwei Kippmodule miteinander verbunden, wodurch eine rationelle Integration in die gleiche Linie von Testsystemen mit horizontaler und vertikaler Architektur ermöglicht wird. Alle Automatisierungsmodule verfügen über eine automatische Breiten- bzw. Höhenverstellung der Transportschienen und -bänder, so dass ein Eingreifen des Bedieners nicht mehr erforderlich ist, wenn Baugruppen unterschiedlicher Größe durch die Produktionslinie laufen. Die Linien-Entlader separieren automatisch die GOOD- und die NO-GOOD-geprüften Baugruppen.
Die Entscheidung, den Flying-Probe-Test in eine Lösung für die Großserienproduktion zu integrieren, wurde als der beste Weg erachtet, um die maximale Flexibilität für das Testen jeder Art von Baugruppen zu gewährleisten und gleichzeitig die Einrichtungskosten (und -zeit) zu minimieren, wenn sich das zu produzierende Produkt ändert. Um eine maximale Prüfabdeckung zu erreichen, war es für das spezielle Produkt unerlässlich, beide Seiten der zu prüfenden Baugruppen kontaktieren zu können. Der gewählte Flying-Prober bietet acht Probes für vollständige, doppelseitige Tests sowie viele andere Merkmale, die die Flexibilität zum Testen aller Arten von Baugruppen gewährleisten: hochauflösende On-Board-Messelektronik, mechanische Präzision und Positioniergenauigkeit zum Testen von Baugruppen mit hoher Bestückungsdichte und winzigen Bauteilen, Leistungs-Kontaktierstifte sowie eine Software-Suite für Funktionstests und zusätzlich mobile Testressourcen, die mehrere Testtechniken, einschließlich LED-Tests, anwenden können.
Die beiden vollautomatischen Inline-Nadelbett-Systeme erledigen die In-System-Programmierung der Baugruppen und tragen signifikant dazu bei, die Taktzeit-Anforderungen der Linie zu erfüllen. In diesem Fall sind die Einzelschaltungen in einem Nutzen angeordnet und die Nadelbett-Systeme sind in der Lage, die parallele In-System-Programmierung auf allen Einzelschaltungen des Nutzens durchzuführen. Die integrierten, universellen Programmiergeräte sind in der Lage, mit den Zielgeräten zu kommunizieren, indem sie verschiedene Kommunikationsprotokolle verwenden (z. B. SPI, CAN, JTAG, SWD, UART, UPDI, SWIM USB, RS232). Sie sind mit dedizierten Speichern ausgestattet, um die Imagedateien der Firmware vorzuhalten, die für den zu programmierenden Chip bestimmt sind. Die in diesem Anwendungsfall implementierte Architektur beinhaltet einen Supervisor-Server. Alle Module in der Linie sind mit einem LAN-Netzwerk verbunden, um mit dem Server/Controller des Standorts und dem Manufacturing Execution System (MES) zu kommunizieren. Der Supervisor-Server ist mit einer zentralisierten Verwaltungsschnittstelle ausgestattet, die die Automatisierung und die Fernkommunikation zwischen den Testsystemen und dem Standort-Server/Controller steuert. Jedes System erhält vom Supervisor die Informationen bezüglich der eingehenden Baugruppe und wählt automatisch das spezifische Testprogramm für diese Produktversion aus oder befiehlt ein Pass-Through-Ereignis, wenn die Baugruppe nicht für dieses System bestimmt ist.
Die Architektur der Lösung ermöglicht es dem Benutzer, serielle und parallele Operationen auszutarieren und Leerlaufzeiten zu eliminieren. Der Durchsatz wird maximiert und gleichzeitig die bestmögliche Leistung in jedem Prozessschritt aufrechterhalten. Der Zeitbedarf für die Neukonfiguration der Linie zur Änderung des Produkttyps wird auf ein Minimum reduziert: das Testprogramm und die ISP-Einrichtung werden automatisch verwaltet. Die Änderung der elektromechanischen Schnittstellen auf den für ISP vorgesehenen Systemen ist der einzige manuelle Einrichtungsvorgang, der erforderlich ist. Die Modularität der Lösung minimiert auch die Auswirkungen, die sich aus Maschinenstillstandszeiten ergeben, sei es durch regelmäßige Wartungsarbeiten oder Ausfälle, da die Systeme, die nicht von der Wartungstätigkeit betroffen sind, normal weiterarbeiten können.